Zerfall der Ganesha - Eine Geschichte von Vanessa

 

 Vanessa, Mama von Zwillingen (1) und einer Tochter (3) ist unter der Woche alleinerziehend. Sie erzählt uns ihre wunderschöne Geschichte über den Zerfall der Vergangenheit und das anstrengende Leben mit Kindern. Und wie sie sich trotzdem darauf freut, bald wieder zu leuchten:

 

Vor etwa 10 Jahren bekam ich vom Papa meiner Kinder eine Lampe in Form einer Ganesha geschenkt. Eigentlich erinnert sie eher an eine Discokugel die wie ein dicker, gemütlichen Elefanten aussieht. Weniger an die Göttin der Hindernisse. 

 

Ich liebe diese Lampe sehr - sie erinnert mich an eine wilde und aufregende Zeit in Hamburg. Ich war so jung, so kinderlos, so einsam und strahlend schön. 

Meine Kinder finden diese Lampe auch toll. Aber anders als ich. Sie stehen gerne auf ihr, klettern an ihr hoch, benutzen sie als Kleiderhaken oder treten einfach so dagegen.

Oma, sagt, sie hätte "das olle Ding" längst weggeschmissen. Das verletzt mich. Weil sie sonst alles repariert und pflegt.

 

Mit der Zeit hat meine Lampe wirklich sehr gelitten. Es ist immer mehr von ihrer Fassade abgebröckelt. Eins meiner vielen Projekte, die ich nie begonnen habe, ist, meiner Ganesha wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Vor eineinhalb Jahren habe ich dazu immerhin schon die Spiegelfliesen gekauft. 

 

Heute früh ist mein Sohn leider so blöd gegen ihren Fuss gestürzt, dass nochmal ein grosses Stück abbröckelte. Ich habe die Lampe daraufhin schluchzend in den Keller gebracht. Sie hat genug gelitten. 

Es wird der Tag kommen, da strahlt dieser gemütliche, dicke Elefant wieder. Mit neuen Fliesen. Und auch mir wird es wieder besser gehen, in meinem nächsten Lebensabschnitt.

Gerade fühle ich mich wie meine bröckelnde Lampe. Ohne Rücksicht wird nach mir getreten und auf mir herum geklettert.

 

Ich habe drei sehr aufgeweckte, großartige  Kinder, mit denen ich unter der Woche allein bin. So komplett alleine. Es ist an manchen Tagen zu viel und ich bin oft einfach nur erschöpft und kann gar nichts planen. Hauptsache der Windelvorrat ist aufgefüllt, es gibt genug saubere Wäsche und Essen. Vor einem Monat habe ich einen Zusammenbruch gehabt. Seitdem gehe ich zur Therapie und schaffe mir Lichtmomente. Es war einfach plötzlich alles zu viel. Das permanente Kindergeschrei, der viele Haushalt.

 

Ja klar, einfach weitermachen. Aber die letzten eineinhalb Jahre ging einfach NICHTS, und auch jetzt fühle ich mich noch wie gelähmt. Ich komme täglich an meine Grenzen, nicht nur mein Nervenkostüm zuckt permanent, nein, auch körperlich fordern mich meine drei Wirbelwinde extrem. 

 

Als ihr Papa letztens fragte, ob wir nicht noch einen Sohn haben wollen, hätte ich beinahe auch meinen Elefant getreten. Ich bin dann aber lieber einfach nur hysterisch lachend zur Tür raus. 

 

Heute, ein Monat nach meinem Zusammenbruch, geht es mir etwas besser.

Die Zwillinge gehen jetzt endlich auch in die Krippe und ich fange an, mich wieder zu entdecken. Wir haben sehr grosses Glück mit unserer Betreuung. Aus Dank und Anerkennung für das, was die ErzieherInnen den Vormittag über leisten, organisiere ich das Weihnachtsgeschenk. Dazu habe ich einen Adventskalender und Tee besorgt und sammle von den anderen Eltern selbst gebackene Kekse. 

Vielleicht mögt ihr euren ErzieherInnen ja auch Danke sagen?

 

Ich habe jetzt manchmal ME-Time. Ein Wort, das ganz neu für mich ist. 

Ab und zu gehe ich in den Keller und besuche den Elefanten. Bald strahlen wir zwei wieder, die Lampe und ich. Bis dahin ist es noch ein Stück zu gehen. 

 

Ich ziehe den Hut vor alleinerziehenden Eltern. Es ist eine so grosse Aufgabe. Mein Lebensgefährte ist zum Glück wenigstens am Wochenende da.

 

Viel Spaß euch allen! 

Eure Vanessa